Planspiel versus Simulation? Versuch einer Abgrenzung
Simulation
Laut dem „Wörterbuch der deutschen Sprache“ ist eine Simulation eine „vereinfachte Nachahmung von Vorgängen oder ganzen Systemen durch Modelle, die in Programme umgesetzt werden (und damit aufwendige Experimente zur Überprüfung von Annahmen ersetzen)“ (Wenzel 2004, S. 1262). Simuliert wird zum Beispiel die Aerodynamik eines Flugzeugs in einem Windkanal oder die Feuerausbreitung in öffentlichen Gebäuden. Kriz bezeichnet eine solche Nachahmung als „reine Simulation“ (2000, S. 103). Sie „sollte einen maximalen Bezug zur realen Welt aufweisen, unabhängig von den Personen, die die Simulation verwenden“ (ebd., S. 103). Blötz ergänzt dahingehend, dass es bei der Simulationsmethode „im Wesentlichen auf das Visualisieren, Hörbar- oder Messbarmachen (Demonstrieren) von schwer zugänglichen Erscheinungen“ (2005, S. 30) ankommt.
Laut Taylor und Walford weisen Simulationen mit elektronischer Datenverarbeitung einen hohen Grad an Komplexität auf, da hier eine große Zahl an Variablen in kurzer Zeit erfasst und verarbeitet werden können (vgl. Taylor; Walford 1974, S. 26). „Ein Simulationsmodell […] wird daher eher mit der Absicht eingesetzt, ‚Antworten’ zu finden, als Prozesse zu verstehen, und da Daten, Zufallszahlen und Grenzwerte im Maschinenprogramm festgelegt sind, beschränkt sich die Mitwirkung des Menschen auf die einleitende Entwicklung des Programms und die Bewertung des Endergebnisses“ (ebd., S. 26).
Zusammenfassend bezeichnet der Begriff „Simulation“ vor allem eine Nachahmung von möglichst realen Situationen, ohne dass diese direkt als Lehr- bzw. Lernmethode dienen soll.
Planspiel
Anders ist dies bei dem Begriff „Planspiel“. Er wird zumeist im Zusammenhang mit einer Lernmethode verwendet. Geuting bezeichnet das Planspiel „als ein ‚ernstes’ Spiel, das vornehmlich von Erwachsenen, aber auch von älteren Jugendlichen gespielt wird“ (1992, S. 201). Im Vordergrund steht dabei weniger die Darstellung wie die Möglichkeit, selbst Erfahrungen zu machen (vgl. Blötz 2005, S. 30). Zudem wird die Vorgabe eines komplexen Problems als ein wichtiges Kennzeichen des Planspiels verstanden.
Blickt man zurück auf die wichtigen Aspekte der Simulation, so ist festzustellen: „Ein Planspiel beinhaltet damit immer eine Simulation, ist aber nicht mit dieser gleichzusetzen“ (Geilhardt 1995, S. 49). Zu dem Aspekt der abgebildeten Umwelt ergänzt Geuting: es handelt sich dabei um eine „hypothetisch-fiktive[] Umwelt, die auf bloßen Annahmen beruht und dennoch möglichst realistisch erscheinen soll“ (1992, S. 27, s. a. von Fürstenberg 1994, S. 50).
Des Weiteren werden bei der Begriffsklärung von Geuting die Interaktion und die gemeinsame Arbeit in einer Gruppe als Spezifikum angeführt (vgl. 1992, S. 27). Durch die Interaktion im Rahmen der fiktiven Umwelt erleben die Teilnehmer die „Konsequenzen, die sich aus ihren Entscheidungen und ihrem allgemeinen Verhalten ergeben“ (Taylor; Walford 1974, S. 21).
In ihrer Arbeit bemüht sich auch Rebmann um eine Definition und kommt dabei zu folgendem Ergebnis: „Das Planspiel gilt als eine besondere Form eines dynamischen Modells, in dem sich teilnehmende Lernende mit konflikt- und problemhaltigen Situationen innerhalb eines durch Regeln festgelegten Kontextes unter einer bestimmten Zielsetzung gemeinsam und individuell handelnd auseinander setzen“ (2001, S. 2, s. a. Buddensiek; Kaiser; Kaminski 1980, S. 108). Diese Definition ergänzt die vorangegangenen Aspekte dahingehend, dass es sich bei der Situation in einem Planspiel meist um „Problemsituationen“ (Buddensiek; Kaiser; Kaminski 1980, S. 108) handelt, und dass das gemeinsame Handeln unter einer „bestimmten Zielsetzung“ (Rebmann 2001, S. 2) stattfindet.
Zusammenfassend kann ein Planspiel wie folgt definiert werden: Bei einem Planspiel handelt es sich um eine Lernmethode, die es den Teilnehmern ermöglicht, in einer komplexen, fiktiven aber realitätsnahen Umwelt, Erfahrungen im (gemeinsamen) Handeln in konflikt- bzw. problemhaltigen Situationen zu sammeln.
Fazit
Gemeinsam ist Simulation und Planspiel, dass mit beiden Begriffen Methoden benannt werden, welche Probehandeln ermöglichen und damit „zu effizienten Lernprozessen beitragen“ (Pawlowsky; Bäumer 1996, S. 236). Planspiele sind jedoch „Simulationen realer Systeme, in denen aber immer auch Menschen als Mitspieler Rollen übernehmen und konkrete Entscheidungen treffen müssen“ (Kriz 2002, S. 81).
Wird also nur von einer technisch-orientierten Umweltabbildung gesprochen, beispielsweise für Hochrechnungen oder Systemanalysen, handelt es sich um eine Simulation. Ein Planspiel umfasst immer eine Simulation, diese kann unterschiedliche Abstraktionsgrade haben. Zum Beispiel eignen sich Simulationen, welche stark metaphorischen Planspielen zugrunde liegen, nicht für Hochrechnungen. Dennoch wird auch hier die Realität abgebildet.
Von einem Planspiel kann man erst dann sprechen, wenn zur Simulation eine didaktisch-methodische Perspektive kommt. Ziel ist hier weniger die Systemanalyse, sondern vielmehr das Erleben des Systems und die Handlungserfahrung. Die Teilnehmer werden gleichsam zu einem Teil der Simulation. Dabei wird bewusst eine Umgebung geschaffen, welche das Lernen des einzelnen begünstigt. Bei Planspielen handelt es sich daher primär um eine Lehr-Lern-Methode, nicht um ein Analyseinstrument.
Der Beitrag basiert auf:
- Hitzler, Sebastian (2009): Vorab-Produktevaluation eines computergestützten Planspiels. Welche Möglichkeiten und Grenzen eröffnet das Planspiel „Paul’s Island“ für einen Einsatz in andragogischen Trainingsmaßnahmen? Saarbrücken: VDM.
Literatur
- Blötz, Ulrich; Ballin, Dieter; Gust, Mario (2005): Planspiele im Vergleich zu anderen Trainingsmethoden. In: Blötz, Ulrich (Hrsg.): Planspiele in der beruflichen Bildung. Auswahl, Konzepte, Lernarrangements, Erfahrungen. Aktueller Planspielkatalog 2005. Multimedia-Publikation. (Schriftenreihe des Bundesinstituts für Berufsbildung). 4. Auflage. Bielefeld: Bertelsmann, S. 29–38.
- Buddensiek, Wilfried; Kaiser, Franz-Josef; Kaminski, Hans (1980): Grundprobleme des Modelldenkens im sozioökonomischen Unterricht. In: Stachowiak, Herbert (Hrsg.): Modelle und Modelldenken im Unterricht. Anwendungen der allgemeinen Modelltheorie auf die Unterrichtspraxis. (Forschen und Lernen, Bd. 4). Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 92–122.
- Fürstenberg, Gregor von (1994): Planspiele. Für Jugendgruppen, Schule und politische Basisgruppen. (Edition Psychologie und Pädagogik). 2. Auflage. Mainz: Matthias-Grünewald.
- Geilhardt, Thomas (1995): Planspiele – Definition und Taxonomie. In: Geilhardt, Thomas; Mühlbradt, Thomas (Hrsg.): Planspiele im Personal- und Organisationsmanagement. (Schriftenreihe Psychologie und innovatives Management). Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie, S. 45-55.
- Geuting, Manfred (1992): Planspiel und soziale Simulation im Bildungsbereich. (Studien zur Pädagogik, Andragogik und Gerontagogik, Bd. 10). Frankfurt: Lang.
- Kriz, Willy (2000): Lernziel Systemkompetenz. Planspiele als Trainingsmethode. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
- Kriz, Willy; Nöbauer, Brigitta (2002): Teamkompetenz. Konzepte, Trainingsmethoden, Praxis. Mit einer Materialsammlung zu Teamübungen, Planspielen und Reflexionstechniken. 3. Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
- Pawlowsky, Peter; Bäumer, Jens (1996): Betriebliche Weiterbildung. Management von Qualifikation und Wissen. (Innovatives Personalmanagement, Bd. 6). München: Beck.
- Rebmann, Karin (2001): Planspiel und Planspieleinsatz. Theoretische und empirische Explorationen zu einer konstruktivistischen Planspieldidaktik. (Schriftenreihe Didaktik in Forschung und Praxis, Bd. 4). Hamburg: Kovac.
- Taylor, John; Walford, Rex (1974): Simulationsspiele im Unterricht. Eine Einführung in die didaktischen Möglichkeiten von Simulations-, Plan- und Rollenspielen mit sechs praktischen Beispielen. (EGS-Texte). Ravensburg: Otto Maier.
- Wenzel, Felix (Hrsg.) (2004): Bertelsmann. Wörterbuch der deutschen Sprache. Gütersloh: Wissen Media.
Sebastian Schwägele